Feine Antennen: Hochsensible Kinder erkennen und unterstützen

Feine Antennen: Hochsensible Kinder erkennen und unterstützen

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Hochsensibilität oder Hypersensibilität ist für viele betroffene Menschen schon lange kein fremder Begriff mehr. Immer häufiger wird das Thema in den Fokus gerückt, diskutiert und wissenschaftlich erforscht. Aber was genau bedeutet es, hochsensibel zu sein? Kommt man mit einer Hochsensibilität auf die Welt? Wie kann ich erkennen, ob mein Kleinkind hochsensibel ist und wie kann ich es dabei fördern und unterstützen? Hier findet ihr viele Antworten auf eure Fragen zum Thema Hochsensibilität allgemein und woran man hochsensible Kleinkinder erkennen kann.

Hochsensibilität: Eine besondere Gabe und keine Krankheit

Wie vielleicht zuerst falsch angenommen, handelt es sich bei einer Hochsensibilität keinesfalls um eine Krankheit oder Anomalie, sondern um ein ganz besonderes Temperament eines Menschen. Hochsensible Personen haben eine stark ausgeprägte Art der Reizaufnahme- und Verarbeitung über deren Sinne. Kurz gesagt nehmen Betroffene verschiedene Reize intensiver und stärker wahr als Nichtbetroffene.

Wir alle nehmen unsere Umwelt über unsere Sinne wahr: Ob durch das Fühlen, Sehen, Schmecken, Hören oder Riechen. Bei hochsensiblen Menschen kann jeder einzelne Sinn unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Ist beispielsweise das Hören besonders betroffen, können Hochsensible reihenweise davon berichten, wie intensiv und schön Musik wahrgenommen wird im Vergleich zu einem „Nichtbetroffenen“. Hochsensible, bei denen zum Beispiel das Fühlen stark ausgeprägt ist, sind häufig empfindlich gegenüber kratziger oder zu enger Kleidung, nehmen dafür aber beispielsweise das Gefühl von Wasser auf der Haut oder Massagen als überdurchschnittlich angenehm wahr. Aber auch das Gefühlsleben ist betroffen: Man sagt, dass Hochsensible Gefühle doppelt so stark wahrnehmen wie Nichtbetroffene. Ob Schmerz und Enttäuschung oder Liebe und Freude. Aber auch das Empathievermögen ist bei hochsensiblen Menschen meist außergewöhnlich stark ausgeprägt – sie nehmen nicht selten Stimmungen oder Gefühle von sogar fremden Personen in einem Raum wahr.

Stellt man sich die Sinneswahrnehmung eines hochsensiblen Menschen vor, kann man sich denken, dass es schnell zu einer Reizüberflutung kommen kann. Gerade für unsere Kinder kann das belastend sein. Auch das Empathievermögen ist bei hochsensiblen Menschen meist extrem stark ausgeprägt – sie können sich außergewöhnlich in andere hineinfühlen, was nicht selten zur Erschöpfung führen kann, lädt man seinen eigenen Akku nicht genügend auf.

FYI: Hier bei Tina Pichler könnt ihr herausfinden, ob ihr eine hochsensible Mama seid.


Eine besondere Gabe – Aber auch Fluch und Segen zugleich

„Sensibilität kann auch wie ein Fluch erscheinen. Man fühlt das Leben auf eine intensivere Weise, doch nicht alle verstehen diese Einzigartigkeit. Hochsensibel zu sein kann Stärke und Schwäche zugleich bedeuten. Es bietet jedoch eine besondere Möglichkeit, die Welt auf eine tiefgründigere Art zu entdecken.

Elaine Aron

Auch wenn es mit Sicherheit nicht immer einfach ist, ist Hochsensibilität oder kurz HSP genannt eine ganz besondere Gabe, auf die man stolz sein kann und muss. Nichts im Leben ist perfekt und so bringt auch die Hochsensibilität Tücken mit sich, mit denen man lernen muss umzugehen, um sich auf das Positive zu konzentrieren. Betroffene fühlen sich häufig anders und abgegrenzt, dabei ist das total unberechtigt: Die Wissenschaft geht davon aus, dass sogar bis zu 20% aller Erwachsenen betroffen sind. Rund 2 Millionen hochsensible Kinder soll es in Deutschland geben.

Dank Hochsensibilität haben Betroffene eine ganz besondere Intuiton. Das stark ausgeprägte Empathievermögen und die feinen Antennen können helfen, sich vor Gefahren zu schützen. Betritt man einen Raum, kann man intuitiv binnen Sekunden die Stimmung einschätzen. Befindet sich beispielsweise ein Hochsensibler in einem sehr vollem Raum, wird er potentielle Gefahren wohlmöglich zuerst wahrnehmen und sich so schützen können, sollten sich gefährliche oder unangenehmen Situationen anbahnen. Hochsensible merken schnell, wenn sie beobachtet werden. Ihre Fähigkeit, außergewöhnlich intensiv nachzudenken lässt sie viel in Frage stellen. Die Fähigkeit, außerordentlich empathisch zu sein, kann helfen, verständnisvoll zu sein und Konflikte zu vermeiden oder sensibel zu klären und dadurch das Miteinander, beispielsweise in Beziehungen, einfacher zu gestalten.



Hochsensibilität schon früh bei Kleinkindern erkennen

Die Wissenschaft nimmt derzeit an, dass Hochsensibilität angeboren ist. Das bedeutet also, dass schon unsere Kleinsten davon betroffen sein können. Hat man den Verdacht, sein Kind könnte hochsensibel sein, gibt es viele Möglichkeiten, es dabei zu unterstützen, positiv zuzureden und diese Besonderheit als Gabe anzuerkennen. Aber welche Anzeichen gibt es? Wie erkenne ich Hochsensibibilität bei Kleinkindern?

Ob als Erwachsener oder als Kind: Betroffene können nur zugut davon berichten, als „Mimose“ oder „überempfindlich“ bezeichnet zu werden. Dabei ist das keinesfalls richtig – Empfindsam bedeutet nicht gleich empfindlich zu sein. Denn Hochsensible sind nicht überempfindlich, ihnen fehlt lediglich ein ausreichend starker Filter, um sich vor Überreizungen zu schützen. Das als Nichtbetroffener zu erkennen und zu verstehen, kann nicht immer einfach sein – schon gar nicht bei unseren Kleinsten.

Sind folgende Merkmale ganz besonders stark ausgeprägt, könnte das für eine Hochsensibilität bei Kleinkindern sprechen:

  • Sind eher introvertiert, schüchtern, ruhiger oder sogar zurückgezogen
  • Besonders schreckhaft und ängstlich
  • Verhalten sich eher vorsichtig und behutsam
  • Geräuschempfindlich: Äußerst unsicher und ängstlich bei lauten Geräuschen
  • Anhänglich, sehr kuschelbedürftig
  • Überdurchschnittliche Wahrnehmung der Gefühle von anderen:
    z.B. durch starkes „Mitleiden“, wenn sich beispielsweise andere Kinder wehtun oder weinen
  • Spielen häufig lieber alleine:
    Suchen eher selten oder vorsichtig den Kontakt zu anderen Kleinkindern und meiden eher Gruppen
  • „Leiden“ unter empfindlicher Haut:
    Können beispielsweise sehr temperaturempfindlich oder außergewöhnlich kitzlig sein
  • Achten besonders intensiv auf Details beim Spielen
  • Extrem starkes Gerechtigkeitsempfinden
  • Reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen und plötzlichen Situationswechsel
  • Haben häufig Probleme in den Schlaf zu finden, sind leicht abgelenkt
  • Schon früh fasziniert von Musik und Rhythmus:
    Ältere Kinder erinnern sich beispielsweise schnell an ein paar Mal gehörtes Lied oder können dieses früh mitsingen und nachspielen
  • Im Babyalter: Häufiges Weinen und Schreien
  • Länger andauernde Phase der Kita Eingewöhnung
  • Haben häufig eine auffallend stark ausgeprägte Fantasie und Kreativität

Es finden sich unter hochsensiblen Kindern aber auch extrovertierte Persönlichkeiten – diese sind meist sehr impulsiv und zeigen Überreizungen eher durch sehr starke Gefühlsausbrüche. Ihr könnt im Internet auch einen hilfreichen Test machen, ob euer Kind sehr gefühlsstark ist.


Hochsensible Kleinkinder verstehen und unterstützen

„Lernt, die Hochsensibilität als Chance für eure Familie zu sehen. Familien mit hochsensiblen Kindern sind „aufgefordert“, viel Verständnis füreinander sowie für die „eigene“ Andersartigkeit zu entwickeln.“

Mira Mondstein, Deva Wollow: Ratgeber für Eltern Hochsensibler Kinder

Hochsensible Kleinkinder verstehen noch nicht, dass sie sich vielleicht von der breiten Masse abheben und können es schon gar nicht definieren. Nur uns als Eltern sollte es auffallen, wenn unser Kind extrem reizoffen ist und Schwierigkeiten hat, diese Reize zu verarbeiten.

Dabei können wir natürlich nicht alle Reize minimieren und abstellen. Wir haben keinen Einfluss auf die laute Baustelle vor der Haustür, auf laute Partys im Haus gegenüber oder auf eine große Anzahl von Kindern im Kindergarten. Was wir aber tun können und müssen, ist unseren Kindern Freiraum zum Abschalten zu schaffen. Wir haben die Aufgabe, unseren Kindern die Ruhe zu bieten, die sie nach einem reizüberfüllten Tag benötigen.

Ruhe und den Freiraum zu haben, den Akku aufzuladen, ist für hypersensible Kinder Gold wert. Ob Kuscheln, eine Möglichkeit des Rückzugs bieten (z.B. in einer abgegrenzten gemütlichen Kuschelecke, Ruhe-Insel oder einem Spielzelt) oder beruhigendes Vorsingen – all das kann vor einer Überlastung schützen und beim Verarbeiten helfen.

Kinder, die von Hochsensibilität betroffen sind, sollten nie überfordert werden. Frühkindlicher Druck sollte in jedem Fall genommen werden. Hochsensible Kinder sind aufgrund der komplexen Wahrnehmung häufig langsamer als andere Kinder und das dürfen sie auch. Auf keinen Fall sollte das Kind zur Anpassung gedrängt werden. Jedes Kind ist einzigartig.

Um Überreizung zu vermeiden ist zu empfehlen, die möglichen Reize der Umgebung zu reduzieren. Beispielsweise Lautstärken, zu viel Fernsehkonsum oder viel Trubel auf dem Spielplatz kann ggf. vermieden werden. Aber wie immer gilt, dass nichts pauschalisiert werden kann. Schaut, was eurem Kind gut tut. Die einen Kinder können bei einem Buch oder ruhiger Musik entspannen, die anderen überfordert es. Wichtig ist, sein Kind genau zu kennen und feinfühlig zu beobachten.

DAS LEBEN EINES HOCHSENSIBLEN KINDES WIRD ERST DANN PROBLEMATISCH, WENN IN SEINER FAMILIE KEINE STRATEGIE GEFUNDEN WIRD, MIT DIESER BESONDERHEIT UMZUGEHEN, SONDERN DAS ANDERSSEIN NEGATIV GEWERTET WIRD UND EIN ANPASSUNGSDRUCK FOLGT.

Quelle: welovefamily.at

Seid geduldig, langsam, behutsam und ruhig im Umgang mit eurem hochsensiblen Kind. Alles andere kann sich überfordernd auf das Kind auswirken. Packt es aber nicht zwingend in Watte und schottet es nicht ab – sondern sucht gemeinsam Lösungen, um Kraft zu tanken und abzuschalten. Redet offen über Bedürfnisse, plant Veränderungen sorgfältig, bereitet euer Kind auf mögliche Situationswechsel vor und hört immer aktiv zu.

Streit, Konflikte und Stress in der Familie sollte man definitiv vermeiden. Kinder nehmen dies grundsätzlich immer wahr, aber besonders hochsensible Kinder können stark darunter leiden. Jede Art von Stress überträgt sich auf das Kleinkind. Dauerhaft Harmonie zu schaffen ist das A und O. Lässt sich das hin- und wieder nicht vermeiden, sprecht offen und direkt mit eurem Kind darüber, dass ihr einen schlechten Tag habt. Euer hochsensibles Kind wird es sowieso merken!

Rituale einhalten und Grenzen setzen: Rituale geben hochsensiblen Kindern Halt und Sicherheit und lassen sie abschalten von der großen, lauten Welt. Kinder können so außerdem einfacher und entspannter zur Ruhe kommen. Zu wissen, was als nächstes passiert, kann vor Überreizung schützen. Grenzen helfen eurem Kind, sich zu orientieren.

Bedingungsloses Akzeptieren und das Kind nicht verändern wollen

Das Wichtigste im Umgang mit hochsensiblen Kindern ist, sich auf die Stärken des Kindes zu konzentrieren und es keinesfalls „anders“ haben wollen. Ist das Kind älter, kann man ihm deutlich machen, dass es besonders ist und eine ganz einzigartige Stärke besitzt, die nicht jeder Mensch hat und zwar einige Tücken mit sich bringt, aber ganz gezielt positiv eingesetzt werden kann. Hochsensible Kinder sollten nie das negative Gefühl haben, nicht dazuzugehören und sich abgrenzen zu müssen!

Hochsensibilität ist eine Chance und kann definitiv bereichernd für das Leben sein. Nicht selten findet sich unter hochsensiblen Menschen Künstler oder Musiker – viele Talente können mit diesem einzigartigen Persönlichkeitsmerkmal und ganz besonderen Gabe unterstützt werden.

„Ich bin stärker als die Wörter, die andere sagen, und größer als die Schublade, in die sie mich stecken wollen.“

David Levithan